Viele Ärzte haben in der Vergangenheit ihre Praxis mit einer toxischen Kombination finanziert: Tilgungsfreies Darlehen, Zinszahlung am Ende der Laufzeit und endfällige Lebensversicherung. Aber der Reihe nach.

Junge Mediziner, die sich selbständig machen wollen, haben keine Probleme mehrere Hunderttausend Euro für die Erstausstattung einer Praxis auf Pump zu erhalten. Die einfachste (und meistens günstigste) Variante wäre ein sogenanntes Annuitätendarlehen. Das funktioniert so, wie eine normale Hypothek. Für die Laufzeit von üblicherweise 10 Jahren wird ein Zins und ein Tilgungssatz vereinbart. Je höher der Zins und je höher der Tilgungssatz, desto höher die monatlichen Raten. Zu Beginn besteht die Rate fast ausschließlich aus Zinsen und im Laufe der Jahre steigt der Anteil der Tilgung.

Daran verdient ein Berater aber nur wenig, gleich ob es ein freier Berater ist oder ein Mitarbeiter einer Bank oder Sparkasse. Also rechnet der Berater dem Jungmediziner Steuervorteile vor und oder erzählt etwas von Zinsdifferenz. Er solle doch gar nicht tilgen, sondern nur Zinsen zahlen, die könne er steuerlich geltend machen und als Höchstverdiener mit fast 50 % Steuerbelastung müsse er de facto nur die Hälfte zahlen. (Der gute Mann startet vermutlich nicht gleich mit 50 % Steuerlast, das nur am Rande.)

Statt zu tilgen solle er einen Betrag in einer Lebensversicherung ansparen. Vor rund 20 Jahren hat man zu einer Kapitallebensversicherung geraten, in den letzten zehn Jahren sind es überwiegend fondsgebundene Lebensversicherungen. Die Berater argumentierten vor 20 Jahren, die Kapitallebensversicherung werde mit 4 Prozent jährlich verzinst, gleiches behaupten sie seit zehn Jahren von der Fondsgebundenen Lebensversicherung. Leser unseres Blogs wissen natürlich, dass das an Rosstäuscherei grenzt, den verzinst wird im ersten Fall nur der Sparanteil, im zweiten Fall ist der Sparanteil de facto eine Spekulation auf steigende Kurse an den Börsen.

Der GAU: Nicht nur die Tilgung, sondern auch die Zahlung der Zinsen auf die lange Bank schieben
Wie jeder Leser unseres Blogs weiß, wird der Berater für die Vermittlung einer Lebensversicherung von einigen Hunderttausend Euro eine hübsche Provision einstreichen. Aber das ist manchem noch nicht genug. Der Arzt solle doch auch die Zinsen nicht laufend zahlen, sondern diese ganz am Schluss ebenfalls mit der Lebensversicherung tilgen.

Wer sich vor rund 30 Jahren auf so ein Modell eingelassen hat, konnte ungefähr so kalkulieren: Das Darlehen im Wert von heute 300.000 Euro würde über die Laufzeit Pi mal Daumen eine Viertelmillion Euro an Zinsen kosten. Bei 4 Prozent Verzinsung kämen aus der Kapitallebensversicherung ungefähr 550.000 Euro zur Auszahlung womit Darlehen und Zinsen auf einen Schlag getilgt werden könnten.

Altersvorsorge in Gefahr!

Wenn ein Arzt mit 35 Jahren das Modell aus tilgungsfreiem Darlehen und endfälliger Tilgung aus der Kapitallebensversicherung gewählt hat, dann kann es sein, dass er jetzt, am Ende seines Berufslebens ein Riesenloch stopfen muss. Denn normalerweise werden aus solchen Verträgen nicht 550.000 Euro ausgezahlt, sondern nur 350.000. Ständige Senkungen des Rechnungszinses, hohe laufende Verwaltungskosten haben zusätzlich zu den Belastungen für die Vermittlungsprovision an den Berater die Träume platzen lassen.

In unserem fiktiven Beispiel müsste der Arzt irgendwie 200.000 Euro auftreiben, um das Loch zu stopfen. Wenn er Glück hat, kann er seine Praxis verkaufen. Aber dieses Geld hatte er als Teil seiner Altersvorsorge eingeplant. Der Ruhestand wird weniger entspannt als geplant.